Das Fragerecht des Arbeitgebers beim Vorstellungs- und Einstellungsgespräch


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Inhalt dieser Seite

▫ Persönlichkeitsrecht und Diskriminierungsverbote
▫ Das Recht die Unwahrheit zu sagen
▫ Einzelfälle


Persönlichkeitsrecht und Diskriminierungsverbote

An dieser Stelle sollen keine Tipps für das erfolgreiche Bestehen von Vorstellungs- und Einstellungsgesprächen gegeben werden. Vielmehr geht es darum, welche Fragen der Arbeitgeber im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers stellen darf bzw. der Bewerber wahrheitsgemäß beantworten muss. Es stellt sich dabei auch die Frage, ob es für den Bewerber ein „Recht zur Lüge“ gibt. Dies ist relevant für Frage, ob der Arbeitgeber bei unwahren Antworten berechtigt ist, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Arbeitgeber haben ein Interesse daran, die Eignung eines Bewerbers für die zu besetzende Stelle beurteilen zu können. Es findet seine Schranken im allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers. Darüber hinaus sind Diskriminierungsverbote zu beachten. Diese sind in dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (Text AGG. Externer Link) zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung normiert. Das Gesetz verbietet eine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der geschlechtlichen Identität.

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass ohne ausreichende zusätzliche Indizien die Verweigerung jeglicher Auskunft durch den Arbeitgeber im Anschluss an ein Bewerbungsgespräch nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung des Bewerbers i.S.d. §§ 1, 7, 22 AGG (Texte § 1 AGG§ 7 AGG, § 22 AGG. Externe Links) begründet (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. April 2013 – 8 AZR 287/08 -).

Arbeitgeber sollten Einstellungs- und Personalentscheidungen grundsätzlich objektivieren und nachvollziehbar dokumentieren. Sie sollten stets darauf achten, dass in Bewerbungsgesprächen keine Fragen gestellt werden, die diskriminierenden Charakter haben könnten.

Das Recht die Unwahrheit zu sagen

Sofern ein Arbeitgeber beim Einstellungsgespräch unverhältnismäßige oder gar rechtswidrige Fragen an den Bewerber stellt, hat dieser das Recht, die betreffenden Fragen unwahr zu beantworten. Verhältnismäßige und rechtmäßige Fragen muss der Bewerber wahrheitsgemäß beantworten. Andernfalls kann der Arbeitgeber berechtigt sein, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt jedoch voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war. Ursächlichkeit ist nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber den Bewerber auch bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Frage eingestellt hätte. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiter aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 –).

Einzelfälle

Zulässig sind Fragen nach Namen, Wohnsitz, Geburtsdatum, Familienstand, Zahl und Alter der Kinder, Staatsangehörigkeit, Schulbildung einschließlich Abschlüssen, Berufsausbildung einschließlich Abschlüssen, Fremdsprachen, Arbeitszeugnissen.

Ebenfalls zulässig ist die Frage danach, ob der Arbeitnehmer sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bewirbt. Das Gleiche gilt für die Frage, ob der Arbeitnehmer sich aus der Arbeitslosigkeit bewirbt.

Die Frage nach einer Nebentätigkeit ist zulässig, weil diese die Leistungsfähigkeit in einer Hauptbeschäftigung beeinträchtigen kann.

Zulässig kann die Frage nach den Vermögensverhältnissen und Schulden des Bewerbers sein, wenn der Arbeitnehmer eine Position anstrebt, die besonderes Vertrauen erfordert und gegebenenfalls Korruptionsanfälligkeit ausgeschlossen werden soll.

Die Frage nach Lohnpfändungen ist nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte aus bisherigen Arbeitsverhältnissen vorliegen, weil dies einen erheblichen Arbeitsaufwand für den Arbeitgeber bedeuten kann.

Die Frage nach einer Schwangerschaft ist wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung grundsätzlich unzulässig.

Die Frage nach dem Gesundheitszustand ist zulässig, wenn sie den Zweck hat, zu erfahren, ob beim Bewerber eine Krankheit vorliegt, welche die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit einschränkt, ob bei Arbeitsaufnahme oder absehbar danach mit einer längeren krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist, ob bei dem Bewerber eine ansteckende Krankheit vorliegt, die Dritte gefährden könnte.

Die Frage nach einer Schwerbehinderteneigenschaft oder einer Gleichstellung ist grundsätzlich unzulässig. Insoweit besteht für den Bewerber ein Recht, die Unwahrheit zu sagen. Dieses Recht hat jedoch dort seine Grenzen, wo die Behinderung einen Einsatz auf dem zu besetzenden Arbeitsplatz unmöglich macht, also der Arbeitsplatz nicht behindertengerecht ausgestaltet werden kann. Im mindestens 6 Monate bestehenden Arbeitsverhältnis, also nach Einsetzen des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, vgl. § 173 Absatz 1 Nr. 1 SGB IX (Text § 173 Absatz 1 Nr. 1 SGB IX . Externer Link), ist die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig, insbesondere zur Vorbereitung einer beabsichtigten Kündigung (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 AZR 553/10 –).

Beim Bewerbungsgespräch darf auch nach Vorstrafen gefragt werden, wenn dies für die zu besetzende Stelle von Bedeutung ist. Der Bewerber muss jedoch nur über solche Vorstrafen Auskunft geben, die in einem polizeilichen Führungszeugnis aufgeführt würden. Der Arbeitgeber darf grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche Frage verstößt gegen das Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (Text § 53 BZRG. Externer Link) (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 –).


Der Arbeitgeber darf beim Bewerbungsgespräch grundsätzlich nicht nach einer Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit fragen – es sei denn, der Arbeitnehmer bewirbt sich bei einer Partei oder Gewerkschaft.

Die Frage nach der Religionszugehörigkeit ist im Bewerbungsgespräch grundsätzlich unzulässig. Nur bei Kirchen bzw. Organisationen unter kirchlicher Trägerschaft ist die Frage nach der Religionszugehörigkeit in engen Grenzen zulässig, wenn die Tätigkeit des Bewerbers zum „Verkündungsauftrag“ der Kirche gehört, der Bewerber an der „Bestimmung des Ethos der Kirche“ mitwirkt oder die Religionszugehörigkeit erforderlich ist, um „für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche oder Organisation nach außen zu sorgen“ (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18. April 2018 – C-414/16 -) .


Rechtsanwalt Harald Schwamborn
Fachanwalt für Arbeitsrecht Harald Schwamborn

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